Es war einmal ne´ Konferenz

Es war einmal ne´ Konferenz
(Quelle: pexels.com / cottonbro studio)

Bayern gegen Heidenheim, das ist nicht Bundesliga, das ist Staubsauger gegen Staubkorn
Die Liga hat ein Problem – und das ist nicht nur das Geld

Früher war alles besser. Oder zumindest: lauter, dreckiger und irgendwie echter. Da spielten samstags um 15:30 Uhr noch der VfB Stuttgart gegen den HSV, es roch nach Bier und Bratwurst, und die größte Sorge eines Fußballfans war, ob der Libero heute wieder Bock hat oder lieber ab der 60. Minute Raucherpause macht. Heute dagegen? Heute spielt Bayern gegen Heidenheim. Leipzig gegen Augsburg. Hoffenheim gegen Wolfsburg. Und irgendwo klatschen ein paar Funktionäre mit nassen Händen, weil sich die Liga so herrlich „ausgeglichen“ präsentiert.

Ist sie aber nicht. Sie ist vor allem: langweilig.

Denn während sich die Tabelle von Platz 5 bis 16 jedes Jahr einmal neu durchwürfelt, bleibt oben alles wie gehabt: Die Reichen werden reicher, die Armen sparen sich einen neuen Innenverteidiger zusammen. Und in der Mitte: ein großer Haufen Mittelmaß, der sich alle paar Spieltage ein bisschen freut, dass man mal nicht verloren hat.

Die Schere geht auf – und keiner hat ’ne Nähmaschine.

Früher, in den wilden 90ern, konnte es noch passieren, dass Kaiserslautern die Meisterschaft holt. Dass Bochum Europapokal spielt. Dass der KSC ins Halbfinale der UEFA-Cup-Vibes einzieht, während Mehmet Scholl einen auf Techno-Jesus macht. Heute? Heute wird der FC Bayern in etwa so herausgefordert wie ein Lineal beim Wettschaukeln. Auch wenn sich Leverkusen ausnahmsweise mal mit den Bayer-Millionen die Meisterschaft ermausern konnte.

Und ja, natürlich: Die 90er waren nicht perfekt. Da wurde auch gebolzt, geprügelt und gestrauchelt. Aber irgendwie war das Ganze… offener. Chaotischer. Und dadurch spannender. Dass ein Club wie der SC Freiburg sich mit kleinen Mitteln oben festsetzen kann, ist kein Argument für Chancengleichheit – sondern ein Wunder. Und Wunder, das wissen wir alle, passieren nicht öfter als ein Tor von Philipp Bargfrede.

Und dann ist da noch die Bundesliga-Konferenz. Früher das Versprechen auf Chaos, jetzt die verlässlichste Einschlafhilfe im Pay-TV.

Samstag, 15:30 Uhr – das war mal heilig. Fünf, sechs Spiele gleichzeitig, ein Tor in Bremen, ein Elfmeter in Gladbach, ein Platzverweis in München. Ein Kaleidoskop der Fußballgefühle, ein dramaturgischer Totalschaden. Heute dagegen? Drei Spiele, die oft genug mit der Spannung einer Sparkassen-Schulung daherkommen. Statt Raserei und Radiokonferenz gibt’s jetzt eine viertelgute Viertelstunde im Spiel Augsburg gegen Mainz.
Nun immerhin mit der Aussicht auf die nächste saftige Preiserhöhung, nachdem DAZN sich die Konferenz geangelt hat.

Der Spieltag wurde zerlegt wie ein überkochtes Hähnchen. Freitag ein Spiel. Samstag ein paar. Dann Topspiel. Dann Sonntag. Dann Montag vielleicht auch noch irgendwann, falls Hoffenheim gegen Wolfsburg ein „Highlight“ sein soll.
Was früher mal Fußball-Wochenende war, ist jetzt ein Ikea-Regal voller Einzelteile, das keiner mehr zusammenbekommt. Fans reisen durchs halbe Land für Anstoßzeiten, bei denen selbst Nachtwächter mitleidig nicken. Nur damit die Rechteverwertung schön lückenlos ist. Das hat mit Tradition so viel zu tun wie Red Bull mit Brauchtumspflege.

Die Bundesliga ist keine Liga mehr – sie ist ein Verwaltungsapparat mit Ball.

Was heute als „ausgeglichen“ verkauft wird, ist in Wahrheit eine mathematische Verzerrung. Die Großen haben alles: Geld, Netzwerke, internationale Strahlkraft, TV-Einnahmen. Die Kleinen? Müssen sich freuen, wenn der Leihspieler aus Stuttgart nicht schon nach der Hinrunde wieder zurück muss, weil der da plötzlich doch ganz gut ist.

Augsburg, Hoffenheim, Wolfsburg – das sind keine Klubs, das sind Excel-Tabellen mit Eintrittskarten. Sie spielen soliden, nichtssagenden Fußball in Stadien, in denen die Lautstärke oft direkt proportional zur Anzahl der gesponserten LED-Banden ist. Sie machen nichts falsch – aber sie machen eben auch nichts, was Herzklopfen verursacht.

Was fehlt, ist Reibung. Romantik. Rivalität.

Früher war jeder Spieltag ein Ereignis. Heute ist es ein Algorithmus. Früher war Borussia Dortmund gegen den HSV ein Spiel zweier Giganten mit wildem Haarwuchs. Heute ist es Dortmund gegen… ja, gegen wen eigentlich? Leverkusen, vielleicht. Oder Leipzig, wenn man ganz viel Red Bull getrunken hat.

Das Problem ist nicht, dass kleine Vereine in der Liga sind – das Problem ist, dass sie die Struktur bestimmen, weil alle anderen weggeschrumpft sind.
Kaiserslautern, 1860, Düsseldorf, Nürnberg – all diese Klubs, die einst für Drama, Rauch und Schweiß standen, krebsen inzwischen durch die unteren Ligen wie alte Rockstars durch Dorfdiscos. Sportlich verdient, sicherlich.

Es ist, als hätte man aus der Bundesliga einen Indie-Film gemacht, aber Netflix verlangt plötzlich Marvel.

Was bleibt? Ein Fußball, der funktioniert – aber nicht begeistert. Eine Liga, die wirtschaftlich solide dasteht – aber kein Drama liefert. Und eine Schere, die weiter auseinandergeht, während sich alle gegenseitig auf die Schulter klopfen, weil sie so fair spielen. Einzig der VAR sorgt noch für regelmäßig erhöhten Blutdruck.

Vielleicht wäre es an der Zeit, wieder mehr zuzulassen: Mehr Wahnsinn, mehr Wettbewerb, mehr… 90er. Nicht, weil früher alles besser war. Sondern weil heute vieles nur noch korrekt ist. Und korrekt ist gut für Finanzberichte – aber schlecht für Gänsehaut.