Immer das gleiche Drehbuch – nur der Gegner wechselt

Manchmal ist Fußball wie eine alte VHS-Kassette, die man zum hundertsten Mal anschaut – in der vagen Hoffnung, das Ende möge diesmal ein anderes sein. Doch auch am Freitagabend in Heidenheim spulte der VfL Bochum erneut das gewohnte Drama ab: viel Einsatz, wenig Ertrag und ein Ergebnis, das sich anfühlt wie ein lauwarmer Filterkaffee am Rasthof Ellwangen. Während der Abstieg näher rückt, klammert sich das Ruhrgebiet an letzte Resthoffnungen – und an Tabellenrechner, die längst heißgelaufen sind.
Es ist wieder passiert. Diese eine Melodie, die irgendwo zwischen Hoffnung und Selbstbetrug dahinleiert, waberte gestern erneut durch die blau-weiße Fanseele. Zart zwar, beinahe schüchtern, aber da war sie: die alte Leier von der Hoffnung, die bekanntlich zuletzt stirbt – aber irgendwie schon seit Wochen auf der Intensivstation liegt. In Heidenheim, bei ähnlich vom Abstieg bedrohten Fußballromantikern, reichte es für den VfL mal wieder nur zu einem 0:0 der zäheren Sorte.
Und während die DFL weiterhin Terminkalender nach dem Prinzip „Hauptsache absurd“ erstellt, durften Bochumer Fans am Freitagabend auf Deutschlands Autobahnen den neuen Stau-Rekord aufstellen. Fast 1000 Kilometer Strecke, ein Tag Urlaub futsch, dazu eine Mischung aus Sonnenbrand, Rückenschmerzen und Hoffnung – das ist wohl die modernste Form von Auswärtsfahrt-Ritual. Am Ende: ein Punkt, der fühlt sich an wie eine Gratisprobe Magerquark.
Dabei hatte alles so schön begonnen. 6000 Fans beim Abschlusstraining, Gänsehautstimmung, Sprechchöre, alles wie aus dem Bilderbuch. Die Mannschaft machte sich mit großen Worten auf den Weg – und kam mit einem 0:0 zurück, das den Klassenerhalt so wahrscheinlich macht wie ein Lotto-Sechser mit kaputter Brille. Das war kein Befreiungsschlag. Das war ein Pflaster, das man seit Wochen abziehen will, aber einfach nicht über sich bringt. Der Patient VfL taumelt dem Herzstillstand entgegen – hat aber offenbar noch Puls.
Man könnte sich die Spielberichte dieser Saison auf A4 ausdrucken, laminieren, und vor jedem Spiel nur den Gegnernamen austauschen. Spielbestimmend? Phasenweise. Chancen? Eher Kunstprojekt. Tore? Ungefähr so häufig wie weiße Weihnachten im Ruhrgebiet. Die Offensive des VfL bleibt ein Fall für die archäologische Spurensuche.
Boadu, zwischenzeitlich als Erlöser gefeiert, präsentierte sich mit der Treffsicherheit eines umgedrehten Kompasses. Und Moritz Broschinski schaffte es erneut, jeden zweiten Ball so zu verstolpern, als wäre er gerade bei einem „Wetten, dass..?“-Auftritt. Die Körpersprache: engagiert. Die Wirkung: ernüchternd. Aber der Fingerzeig auf einzelne Spieler wäre zu einfach – die eigentliche Baustelle beginnt weit über dem Rasen.
Denn was im Verein seit Jahren auf Leitungsebene passiert, würde selbst den Vorstand des Kleingartenvereins „Sanfte Waldesruh“ in den Aufruhr treiben. Mal werden Positionen mit Leuten besetzt, die eigentlich gar nicht wollen, dann lässt man Schlüsselrollen einfach unbesetzt – Hauptsache irgendwas passiert. Eine klare Linie? Fehlanzeige. Dafür immer mal wieder ein neuer Impuls aus der Richtung „Warum eigentlich nicht Zeidler?“ oder „RB-Fußball, das klingt doch modern“. Dass man dafür auch die passenden Spieler bräuchte, wurde offenbar beim Zusammenstellen des Kaders vergessen. Heraus kam eine Mischung aus Soljanka, Studentensalat und taktischem Kuddelmuddel.
Immerhin: Der Verein hat gestern nach Spielschluss offiziell gemacht, dass man mit Dieter Hecking in die zweite Liga geht. Eine Entscheidung, die Hoffnung weckt – ja, wirklich. Wenn einer das Ruder herumreißen kann, dann vielleicht Hecking, vorausgesetzt, man lässt ihn diesmal wirklich machen. Keine halben Sachen mehr. Keine Versuche aus dem Katalog „Innovation ohne Plan“.
Die Fans jedenfalls? Haben geliefert. Wie immer. Stimmgewaltig, zahlreich, voller Herz. Selbst beim Zwischenfall um Heidenheims verletzten Torhüter Müller zeigte die Kurve, was Fairness heißt. Beide Fanlager sangen gemeinsam für den Keeper – ein starker Moment. Schöne Grüße an dieser Stelle nach Berlin-Köpenick – so geht das nämlich.
Was bleibt? Vier Punkte Rückstand, zwei Spiele, ein offensives Vakuum. Die Relegation wäre ein Wunder. Der direkte Klassenerhalt eine Utopie. Und doch: Irgendwo da draußen sitzt gerade jemand mit einem Taschenrechner, rechnet sich alles schön – und summt leise die alte Leier.