Drei BIC-Points am grünen Tisch?

Zwei Tage vor dem Bundesligaauswärtsspiel in Mainz, fand nun endlich die Verhandlung im Falle des Feuerzeugwurfs von Berlin statt.
Wir erinnern uns: Kurz vor Ende der Partie hatten sich zig Personen im Union Block nicht im Griff und bewarfen Patrick Drewes mit Gegenständen. Eben auch mit dem besagten Feuerzeug, welches ihn dann am Kopf traf und am weiterspielen hinderte.
Bochum stellte Hofmann ins Tor, da das Wechselkontingent inzwischen aufgebraucht war, und spielte die Partie unter Protest zu Ende.
Union Berlin, der allzeit unsympathische Underdog aus dem dunkelsten Loch der Bundesrepublik (welches sich leider auch unsere Hauptstadt nennt) wurde dann auch nicht müde den Bochumer Betroffenen und Verantwortlichen sofort den schwarzen Peter zuzuschieben. Man deutete Unsportlichkeiten an und zeigte sich verständnislos ob der Bochumer Reaktion.
Als knallharter Unioner heult man halt nicht rum. Soll sich nicht so anstellen der Wessi.
Dass wir im umgekehrten Falle ein noch größeres Schauspiel hätten erwarten dürfen, ließen die Kollegen Hollerbach und Co ja bereits auf dem Platz vermuten, wo es Bestnoten für die eingesprungenen Rittberger nach leichtesten Berührungen hätte geben können. Kathi Witt lässt grüßen.
Auch während der Behandlung des Spielers wurde fröhlich weitergeworfen, was es um so aberwitziger erscheinen lässt wenn sich Unions Verantwortliche daraufhin hinstellen und dem VfL Unsportlichkeit unterstellen.
Nun aber legte der DFB aber erstmal eine Weihnachtspause ein und etwas Gras legte sich über die Geschichte.
Gespannt warteten alle Seiten ab, wie denn der Fußballverband letztlich entscheiden würde.
Denn auch für die Herrschaften in Frankfurt war der Fall durchaus verzwickt:
Wie sollte man die Punkte sinnvoll aufteilen? Wie soll man die Strafe gestalten um künftige Nachahmer abzuschrecken? Hätte Union den Vorfall verhindern können?
Viele Punkte gab es hierbei zu bedenken.
Der mutmaßliche Täter wurde relativ schnell ausgemacht und dem Ordnungspersonal übergeben.
Ihn dürften saftige Strafen erwarten.
Klar ist: In einem, tausende Leute Platz bietendem, Stadion ist die Verfehlung einzelner nicht sinnvoll zu verhindern.
Union in diesem Punkte eine Schuld an dem Vorfall zuzuweisen, wäre Unsinn.
Aber von allen Vereinen werden die Vorschriften des DFB abgesegnet und mitgetragen – gerade Kollektivstrafen wie Blocksperren und vor allem Geldstrafen nach Pyroshows nehmen die Vereine hin.
Auch hier „verstoßen“ einige wenige gegen das geltende Regelwerk des DFB und der Verein ist letztlich der Adressat der Strafen.
Stellt sich also die Frage, warum der DFB in seiner Entscheidung nun dem VfL Bochum drei Punkte zugesprochen hat, anstatt nur einen.
In seiner Urteilsbegründung erläuterte der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, Stefan Oberholz: „Wir sind uns bewusst, dass eine Umkehrung des Spielergebnisses das letzte Mittel sein muss. Die Umstände haben aber kaum andere Möglichkeiten zugelassen, der VfL Bochum ist unverschuldet geschwächt worden durch das Fehlverhalten eines Anhängers von Union Berlin. Wir gehen in der Nachbetrachtung davon aus, dass ein Spielabbruch erforderlich gewesen wäre.“
Eine ungewöhnlich harte Kritik des DFB am Verhalten seines Schiedsrichters Martin Pedersen, welcher die Partie nach langer Unterbrechung und einem Nichtangriffspakt der beiden beteiligten Mannschaften zu Ende spielen ließ.
VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig zeigte sich mit dem Urteil zufrieden: „Es ist weiterhin äußerst bedauerlich, dass es überhaupt zu diesem Vorfall und der daraus entstandenen Verhandlung gekommen ist. Am Ende sind wir natürlich trotzdem erleichtert darüber, dass das DFB-Sportgericht zu dem aus unserer Sicht einzig richtigen Urteil gekommen ist, das nach der detaillierten Aufarbeitung der Vorkommnisse möglich war. Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie ärgerlich solch ein Strafmaß für den betroffenen Klub ist, sind aber dennoch der Auffassung, dass eine weitere Häufung dieser Unsitte nur mit maximaler Konsequenz verhindert werden kann.“
Unions Präsident Zingler dagegen packte gestern das ganz große Besteck aus.
Der Kontrollausschuss mit Herrn Nachreiner an der Spitze habe „mal wieder ein politisches Exempel statuieren“ wollen, sagte Zingler beim TV-Sender Sky: „Er wollte ein Urteil erzwingen, um die Gewalt auf den Rängen zu bekämpfen. Dann wird auch gerne mal ein Schiedsrichter geopfert.“
Und um den feinen Herrn bei seinen Verschwörungstheorien nicht zu stören, ließ der Sender ihn bereitwillig weiter über den Äther tröten:
„Dass Bochum den Vorgang nutzt, um sich sportlich einen Vorteil zu verschaffen, das finde ich einen unfairen Skandal.“ Man müsse den Sport, den Fußball schützen. „Da soll sich Bochum an die Nase fassen. Da haben sie nicht fair gespielt“, meinte Zingler. Es bestehe nun die Gefahr, dass permanent Spiele abgebrochen werden.
Kein Wort darüber, dass es nie zu dem Vorfall gekommen wäre, wenn nicht dutzende von Idioten den Torhüter der gegnerischen Mannschaft mit Gegenständen befeuert hätten.
Klassische Schuldumkehr wie sie im Trump´schen Buche für Populismus steht.
Ganz kurz vor „Sie hatte einen kurzen Rock an, dann muss sie sich auch nicht wundern.“
Wir in Bochum kennen die gesamte Situation nur zu gut.
Auch im Ruhrstadion ist es eng. Und was ansonsten den Vorteil einer intensiven Heimstimmung bringt, hat eben auch den Nachteil der kurzen Flugbahnen.
Gerade Union Berlins Ex-Spieler Max Kruse hatte sich vor zwei Jahren über den Bewurf mit Bierbechern beklagt.
Und auch wenn man diesen Menschen und seine Wortwahl und Art als hochgradig unsympathisch empfinden kann: in der Sache hatte er durchaus Recht.
Hier hatte der VfL Glück, dass kein Spieler ernsthaft getroffen wurde und es zu einem ähnlichen Eklat gekommen ist.
Das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach dagegen, dürfte allen VfL Fans noch in unrühmlicher Erinnerung sein.
Auch hier kam es zu einem Spielabbruch mit anschließender Spielwertung für Mönchengladbach, nachdem ein einzelner Zuschauer den Assistenten des Schiedsrichters per Bierbecher technisch k.o. schickte.
Anders als beim Unentschieden in Köpenick, führten die Fohlen aber damals bereits im Ruhrstadion.
Und so hielt sich der Sturm der Entrüsteten die damals „Wettbewerbsverzerrung“ schrien auch in argen Grenzen.
Anders als jetzt. Wo Zingler gerade Verbündete in Heidenheim, Kiel und St. Pauli auftut um das Narrativ vom Eingriff in den Wettbewerb für den kommenden Einspruch beim DFB Sportgericht zu untermauern.
Der erste Eingriff in den Wettbewerb fand übrigens statt, als die Union Anhänger dafür sorgten, dass ein Spieler des VfL vom Platz musste.
Jede Elfmeterentscheidung, jede rote Karte an jedem Spieltag stellt letztlich einen Eingriff in den Wettbewerb dar.
Spötter würden behaupten, dass sogar der schiere Anpfiff einer Bundesligapartie bereits in den Wettbewerb eingreift.
Ob man Zingler soviel Weitsicht zutrauen kann, sei dahingestellt.
Davon ab, dass es sein gutes Recht ist Einspruch einzulegen und das Urteil zu kritisieren, ist der Umgang damit unter aller Kanone. Das so jemand seinen Kontrahenten „Unsportlichkeit“ unterstellt, ist ein Hohn.
Aber widmen wir uns nicht weiter den jammernden Lautsprechern aus der Führungsriege des ach so kultigen Kiezclubs aus Köpenick.
Getroffene Hunde heulen eben laut auf.
Gerade im Ruhrstadion hatte der Verein oft Mühe, dass Werfen von Gegenständen zu unterbinden.
Videokampagnen und dringliche Belehrungen auf Fanabenden hatten nur teilweisen Erfolg.
Die Mischung aus Emotion und Alkohol führt ab und an zu Entgleisungen Einzelner, welche bei der Enge des Ruhrstadions eben deutlich mehr ins Gewicht fallen als wenn im Olympiastadion in Berlin jemand einen Becher auf die Tartanbahn wirft.
Im Hinblick auf die eigene Geschichte mit dieser Problematik kann dieses Urteil dann auch zu einem Boomerang werden.
Denn es bedarf nur eines einzelnen treffsicheren Werfers und man wäre selber an der Stelle von Union Berlin und hätte unter Umständen einen Punktverlust zu akzeptieren. Insofern hätte das Urteil des DFB dann hoffentlich doch eine abschreckende Wirkung.
Natürlich sind die 2 zusätzlichen Punkte, sofern sie denn auch in der Revisionsverhandlung Bestand haben werden, Gold wert in der derzeitigen Situation.
Ob die Entscheidung sinnvoll gewesen ist, darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein.
Auf der einen Seite ist es durchaus nachvollziehbar, dass der DFB solche Vorfälle so hart wie möglich betrafen will um Nachahmer abzuschrecken.
Denn anders als von „Experten“ wie Zingler befürchtet, werden sich nicht jedes Wochenende verdeckte Provokateure in den gegnerischen Block schmuggeln um mit Feuerzeugwürfen für Abbrüche zu sorgen.
Auf der anderen Seite wäre wohl die Wertung des Spiels als Unentschieden, gefolgt von einer Geldstrafe und Punktabzug von 3-6 Punkten für Union Berlin, vermutlich die Lösung gewesen, welche am wenigsten Effekt auf andere Verein gehabt hätte.
Zumal dann in der Wahrnehmung nicht der VfL Bochum als Buhmann dagestanden hätte, was sowieso abstrus ist, aber das Thema Täter-Opfer-Umkehr hatten wir ja bereits.
Wenn man rein nach der Urteilsbegründung und den dargelegten Fakten geht, dürfte sich am Ausgang des Verfahrens kaum etwas ändern.
Sollte das nächsthöchste DFB Gericht sich anders entscheiden, wird auch hier interessant, wie sich die Verantwortlichen des VfL Bochum positionieren.
So oder so, ist es eine Posse, die des Sports unwürdig ist.
Aber um Sport geht es in der Bundesliga eh schon lange nicht mehr primär.