Murphy´s Law als Fußballclub
Das Jahr 2024 ist rum.
Endlich, möchte ich fast sagen.
Emotional war das nämlich ein ganz hartes Stück Arbeit.
Die unglaubliche Achterbahnfahrt der Gefühle im Abstiegskampf, getoppt durch die wohl verrückteste Relegation aller Zeiten und dem damit verbundenem Klassenerhalt für unseren VfL Bochum.
Ein Spiel das sich so sehr unter die Haut gebrannt hat, positiv wie negativ, dass es vermutlich für jeden der es nicht miterlebt hat kaum nachzuvollziehen ist.
Andere Clubs feiern Meisterschaften, Titel und Triumphe.
Wir feiern das ganze doppelt so intensiv – und sind dabei nur ganz ganz knapp in der Liga geblieben.
Wie intensiv soll ein Torjubel sein? Antwort des VfL in Düsseldorf: Ja.
Und wie schön wäre es rückblickend gewesen, einfach mal eine typische Gladbachsaison im Anschluss zu erleben: Immer ein bisschen unten drin, nie so richtig und ab dem 10. Spieltag geht es um nix mehr. Am Ende Platz 13. Das stand zumindest auf meinem Wunschzettel ganz oben.
Aber der VfL wäre ja nicht der VfL, wenn er nicht auch für den ganz eventuellen Fall aufkeimender Langeweile schon rechtzeitig vorgesorgt hätte.
Und so sah das Drehbuch offenbar vor, dass wir mit einem sehr ambitionierten wie leider auch erfolglosen Trainer „beglückt“ wurden, was nicht nur in grausam anzusehenden Spielen sondern auch gleich in der Freistellung mehrerer entscheidender Positionen im Verein mündete. From Hero to Zero in wenigen Tagen.
Ein regelmäßiges nervöses Augenzucken bei der Durchsicht der morgendlichen Schlagzeilen lenkte mich dann auch oft genug vom Ratschlag meines Kardiologen ab, der mir nur zu deutlich nahelegte mir endlich ruhigere Hobbies zu suchen.
Was weiß der schon?
Es ist die Sucht. Ganz einfach. Für den guten Fußball geht man nicht zum VfL. Aber irgendwas bekommen Junkies wie ich dort, was sie im Alltag nicht finden können.
Ist es die nötige Portion Drama? Oder gar die Gewissheit, dass einen der eigene Job und Arbeitskollegen gar nicht so viel ärgern können wie ein Haufen überbezahlter junger Männer in kurzen Hosen?
Ist es dieser Kick 17 Stunden im Reisebus Kaffeelikör zu trinken, nur um am Ende mit einer 0:4 Auswärtsniederlage im Gepäck auf dem Gästeparkplatz verspottet zu werden?
Anderswo zahlt man mehr Geld um gedemütigt zu werden und so spare ich mir immerhin die Kosten für eine Domina und so einige schwierige Erklärungsversuche bei meiner Frau.
Es ist und bleibt eine Sucht.
Nicht heilbar. Nicht substituierbar. Nicht mal auf Rezept.
Ich habe es versucht.
Die ganze Palette.
Frauen, Alkohol, Ravensburger Puzzle (nicht mehr als 5000 Teile), andere Sportarten.
Und jedes mal wenn ich dachte ich wäre darüber hinweg, stand ich doch wieder im Block. Links und rechts neben mir die gleichen Gesichter wie seit so vielen Jahren.
Mit den gleichen fatalistischen Geschichten und Anekdoten wie seit je her.
Der einzige Verein weltweit, wo bereits im Vereinslied „Mein VfL“ vor chronischer Erfolgslosigkeit und einer bevorstehenden Niederlage gewarnt wird.
Und vermutlich der einzige Club der Welt, wo selbst bei einer 4:0 Führung zwanzig Minuten vor Schluss noch keiner im Stadion feiert. Weil wir alle schon erlebt haben, was alles schief gehen kann und auch schief gehen wird.
Murphys Law als Fußballclub.
War es demnach also verwunderlich, dass wir mal wieder einen Katastrophenstart par excellence hingelegt haben?
Beinahe hoffnungslos abgeschlagen, leicht achselzuckend hinnehmend, dass dieses Profi-Geschäft inzwischen nur noch für die wirklich reichen Clubs vorgesehen ist, die sich mit immer noch mehr albernen neuen Wettbewerben wie der Club-WM noch mehr vom großen Kuchen sicher und die Schere zwischen arm und reich immens vergrößern?
Das ist das schlimme bei dieser Sucht. Immer wenn man sich gerade mit etwas abfindet, taucht von irgendwo ein Schimmer Hoffnung auf.
Zum Beispiel in der Form von Dieter Hecking, wie in unserem Fall.
Und in der Form eines der denkwürdigsten Unterbrechungen, die ich je mit dem VfL erlebt habe.
Man kann nun noch 400 Stunden darüber diskutieren, ob der Feuerzeugwurf dazu imstande ist einen erwachsenen Menschen zu verletzen oder einfach hinnehmen, dass das Scheiße ist und uns endlich die 3 Punkte zusprechen.
Dann kann Union sich noch ein bisschen kultiger finden als ohnehin schon. Nur eben ohne Punkte.
Hecking hat es geschafft, dieser komplett ideenlosen Truppe zumindest wieder Sicherheit zu geben.
Und zu verhindern, dass wir jedes Spiel abgeschossen werden.
Das behebt zwar immer noch nicht den Umstand, dass unser Sturm seit zwei Jahren kaum Tore schießt. Aber es ist ein Anfang und Anfänge sind erst einmal prinzipiell gut.
Ich finde Verallgemeinerungen ja generell scheisse, aber hier kann es mal raus: Ich liebe Dreier.
Vor allem den am 22.12. des letzten Jahres.
Denn es gab und gibt im Grunde nur zwei Optionen.
Entweder wir steigen als der erfolgloseste Club aller Zeiten ab. Oder wir halten den Arsch über Wasser und versuchen wenigstens noch irgendwie da wieder ranzukommen.
Beides zugegebenermaßen recht reizvoll. Aber Variante B ist mir persönlich lieber.
„Im Leben zählt es nicht wieviel du austeilen kannst, sondern wieviel du einstecken und trotzdem weiterkämpfen kannst.“
Ein Rocky Balboa Zitat welches nicht besser auf einen Fußballclub passen könnte wie auf unseren VfL.
Denn da ist es wieder, dieses Fatale.
Die Hoffnung darauf, nicht enttäuscht zu werden und ein weiteres Wunder zu schaffen.
Nicht wie so oft den mitleidigen Blicken von Fans anderer Vereine ausgesetzt zu sein, die sich auch fragen warum man sich das alles antut.
Die Hürde ist nunmehr noch höher als in den vergangenen Jahren.
Und das Ziel gefühlt so weit weg wie ein Halbfinale im DFB Pokal.
Während unsere Frauen und die zweite Mannschaft nun wirklich erfolgreich in die Saison gegangen sind, darf die erste Mannschaft jetzt gerne nachziehen.
Und irgendwie den Klassenerhalt doch noch auf den letzten Drücker schaffen.
Danach wandere ich dann aus und züchte Kokosnüsse auf irgendeiner einsamen Insel.
Aber vermutlich stehe ich früher oder später doch wieder hinter der Azzurro Bochum Fahne und schüttele beim ersten Abspielfehler der neuen Saison genervt mit dem Kopf und ärgere mich, dass trotz hoher Nachfrage immer noch keine Cocktailbar im Ruhrstadion eröffnet wurde.
Das ist aber nun wirklich noch Zukunftsmusik.
Und ähnlich wie Danny Dyer am Ende des Films Football Factory frage ich mich oft, ob es das alles wert ist.
Und dann denke ich zurück an den 27. Mai 2024 in Düsseldorf.
Auf der Hinfahrt im Auto mich fragend, was wir da eigentlich wollen, nach der 0:3 Schlappe im Hinspiel.
Es war im Grunde nur noch Formsache für die Fortuna.
Der Rest ist dann Geschichte.
Und eine Antwort auf die Frage, was wir da eigentlich wollen.
Und eine Antwort auf die Frage, ob es das alles wert ist.
Natürlich ist es das.
Frohes neues Jahr.