Der April macht was er will
Der VfL hat sich nach dem Nackenschlag in Köln von Cheftrainer Thomas Letsch und Co-Trainer Fießer getrennt. Wie geht es nun weiter an der Castroper Straße?
Als Samstag um kurz vor 17:30 Uhr der Schiedsrichter das Spiel in Köln abpfiff (Endstand 2:1), ergriff mich eine Leere, die ich schon lange nicht mehr ertragen musste.
90 Minuten wurde im Ferienhaus in den Ardennen gezittert nur um dann innerhalb kürzester Zeit richtig einen ins Gesicht zu bekommen.
Es war nicht einmal mehr Platz für Wut. Nur noch Leere.
Doch wie konnte das alles geschehen? Wie konnte der VfL, der noch vor wenigen Wochen Bayern München niederrang, einen so guten Vorsprung verspielen und gleichzeitig die direkten Konkurrenten stärken? Mainz war schon schlimm. Darmstadt begann vielversprechend und endete ernüchternd. Aber Köln war eine neue Dimension des Nackenschlags.
Nicht wenige VfL Anhänger fühlten sich an den letzten Abstieg erinnert. Auch damals schaffte man es, einen komfortablen Vorsprung in einen Abstieg zu verwandeln.
Nun also zog der VfL Bochum heute Vormittag die Reißleine und stellte Cheftrainer Letsch sowie seinen Assistenten Jan Fießer mit sofortiger Wirkung frei.
Hört man sich bei Anhängern anderer Vereine um, so stößt man vielfach auf Verwunderung.
Der VfL stehe noch gut da, hat drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und der Kader gäbe nicht viel mehr her, heiß es häufig.
Ohne tieferen Einblick mag das zwar zutreffend sein, verkennt aber die Entwicklung in der Rückrunde.
Sicher, man hat gegen Stuttgart und Bayern zu Hause jeweils gewinnen können.
Aber mehr und mehr fiel Letsch in der Rückrunde durch taktische Manöver auf, die nicht verfingen.
Auch das Verhältnis zu Teilen der Mannschaft schien getrübt.
Verwunderte es doch, dass er zunehmend häufiger Spieler auf Pressekonferenzen in den Himmel lobte, nur um sie anschließend nicht zu berücksichtigen. Nach guten Leistungen wurden Spieler ebenso häufig am folgenden Spieltag nicht mehr eingesetzt und stattdessen eine neue Variante ausprobiert. Gefühlt durfte inzwischen jeder mal Rechtsverteidiger spielen.
Gerade in der Defensive schien das zur Verunsicherung beizutragen. Nicht ganz ohne Grund stellt der VfL Bochum bislang die zweitschlechteste Defensive der Bundesliga.
Insgesamt 21 Punkte wurden bereits nach Führungen verspielt. Nur ein Bruchteil dessen auf der Habenseite und dieser Beitrag wäre heute nicht erschienen, da bin ich mir sicher.
Stattdessen immer wieder Ausgleiche und Niederlagen kurz vor Schluss oder in der Nachspielzeit. Oft mit verursacht durch wilde taktische Experimente zu lasten der defensiven Stabilität.
So auch am Samstag in Köln.
Ein mausetoter Gegner wurde stark gemacht indem man ihm das ganze Spielfeld überließ, nur noch defensive Spieler einwechselte die sich zu oft selber auf den Füßen standen und nicht richtig zugeordnet waren.
Der Rest ist traurige Geschichte. Und das leider nicht zum ersten mal in dieser Saison.
Somit verspielte man nicht nur den Vorsprung auf die Konkurrenz, nein schlimmer noch, man gab das Momentum aus der Hand und stärkte in diesem Zuge die direkten Konkurrenten aus Mainz und Köln sowie mit Abstrichen auch Darmstadt.
Eine Lösung musste her, wollten die Verantwortlichen wie Patrick Fabian und Marc Lettau sich nicht nachsagen lassen, nicht alles für den Klassenerhalt getan zu haben.
Allerdings mit reichlich bitterem Nachgeschmack: So verlängerte man erst im November den Vertrag mit Thomas Letsch bis zum 30.06.2026 – mit der Aussage, zur Not mit ihm auch in die zweite Liga gehen zu wollen.
Von diesem Konzept schien man im Stadioncenter nun nicht länger überzeugt gewesen zu sein.
Auch schien die Mannschaft nicht mehr vollends hinter Letsch gestanden zu haben.
Schnell machten Namen wie Stefan Kuntz, Hermann Gerland oder Urs Fischer die Runde im Karussell der möglichen Kandidaten.
Kuntz und Gerland haben demnach wohl abgesagt, ebenso wie Fischer, welcher andere Optionen auf dem Tisch liegen haben dürfte.
Und so pfeifen die Spatzen es von de Dächern, dass Peter Stöger wohl ein heißer Kandidat auf den Trainerstuhl wäre.
Stöger gilt als ruhiger und besonnener Vertreter seiner Zunft. Er war vier Jahre beim FC Köln angestellt und führte diesen sogar ins europäische Geschäft. Nach seiner Entlassung dort hatte er noch ein kurzes Gastspiel beim BVB, bevor es ihn wieder in seine österreichische Heimat zog.
Stöger steht dabei nicht für den Typ emotionalen Feuerwehrmann wie ihn sich vielleicht mancher erhofft haben könnte.
Aber er steht für eine unaufgeregte und kompetente Arbeitsweise und hat Erfahrung in der Bundesliga. Alles Eigenschaften welche uns zu Gute kommen können und zum VfL Bochum passen.
Thomas Letsch hat hier leider den Dreh nicht mehr bekommen.
Eine eher schlecht als rechte Vorbereitung, inklusive Katastrophenauftritt im Pokal in Bielefeld ließen zuerst nichts Gutes erahnen.
Die folgende Sieglosserie in der Liga unterstrich dann auch zunächst die Fehler in der Kaderzusammensetzung.
An dieser ist Letsch sicher nicht alleine schuld. Jedoch wird eine Mannschaft zum Großteil auf die Wünsche einen Cheftrainers ausgerichtet und hier offenbarten sich im Verlaufe der Saison gravierende Mängel.
Das in der Winterpause ebenso wenig nachjustiert wurde, müssen sich alle Verantwortlichen ankreiden lassen.
Aber eines muss man eben auch festhalten: Thomas Letsch und sein Team haben den emotionalen Klassenerhalt der Vorsaison geschafft.
Für diese tollen Momente werden wir als Fans und Mitglieder sowohl dem damaligen Trainerteam als auch der damaligen Mannschaft ewig dankbar sein. Das sind Augenblicke im Leben eines VfL Fans, die man nicht löschen kann.
Und so ist es tragisch, dass die Mechanismen des Marktes Bundesliga auch vor Thomas Letsch nicht halt machen.
Aber für uns kann nur der Verein zählen. Und da man keine komplette Mannschaft austauschen kann, ist ein Trainerwechsel vielleicht jetzt noch die Chance um den geschmolzenen Vorsprung ins Ziel zu retten und perspektivisch die Mannschaft neu aufzubauen.
Ein Umbruch wird ohnehin von Nöten sein, stehen doch wichtige Säulen wie Kevin Stöger, Takuma Asano oder Patrick Osterhage ziemlich sicher vor dem Absprung. Andere Bereiche müssen von Grund auf verstärkt werden. Gerade in der Offensive und im Bereich Rechtsverteidigung.
Viel Arbeit also für Lettau, Fabian und den neuen Cheftrainer. Und umso wichtiger ist eine möglichst frühzeitige Klarheit in puncto Ligazugehörigkeit für die Saison 24/25. Hat der VfL ja aufgrund der finanziellen Mittel ohnehin schon schwer genug, adäquate Bundesligaspieler von sich zu überzeugen, wäre der frühzeitige Klassenerhalt ein Vorteil bei der Erstellung des Kaders.
Und hier muss auch nochmal an die Mannschaft appelliert werden: Gemeinsam können wir das schaffen. Wir müssen es schaffen. Es wird schwer, aber nicht unmöglich. Noch liegen alle Vorteile im Feld des VfL Bochum.
Wir müssen sie nur nutzen.
Alle gemeinsam für den VfL!
Update:
Gegen Abend nun wurde klar, dass Peter Stöger wohl offenbar keine Freigabe von seinem Verein erhält. Das ganze sei der Kurzfristigkeit geschuldet.
Eine alternative Lösung ist derzeit noch nicht in Sicht, was die Situation an der Castroper Straße nicht unbedingt leichter macht.
Zumindest für den Dienstag kann man also davon ausgehen, dass kein neuer Übungsleiter mit der Mannschaft arbeiten wird.
Wir bleiben am Ball.