Bochum, ein Wintermärchen

Der VfL Bochum bezwingt den FC Bayern in einem leidenschaftlichen Spiel mit 3:2 und verschärft so die Krise des Rekordmeisters.
Es waren mal wieder Überstunden aufgrund der Fanproteste angesagt, aber aus Bochumer Sicht hatte sich das Warten am Ende dieses Spieltags doch gelohnt.
Bei steifer Brise und Nieselregen konnte die Mannschaft von Thomas Letsch den Favoriten aus München mit 3:2 besiegen und zauberte dem Großteil der 26000 Zuschauer im Ruhrstadion damit ein Lächeln ins Gesicht.
Klar, bereits im Vorfeld wurde unter den Fans gemunkelt „da geht heute was“. Die Krise des FC Bayern wurde ja medial ordentlich ausgeschlachtet, nach den Niederlagen gegen Leverkusen und Lazio Rom.
Aber als langjähriger VfL Fan ahnt man bei solchen Vorzeichen in der Regel eher Böses. Wann hatte denn Bayern zuletzt mal 3 Pflichtspiele in Folge verloren? Es mehrten sich die sorgenvollen Stimmen, die eine erneute Klatsche gegen die Multimillionentruppe des deutschen Meisters befürchteten.
Ein nicht näher benannter Fan äußerte zwar den Verdacht, die Bayern hätten Schwierigkeiten mit der Witterung. („Die können doch nur Schnee oder Sonne, die Tiroler. Niesel liegt denen nicht“.)
So vollauf zu überzeugen wusste die These dann letztlich doch nicht.
Von meinem Nettogehalt kann ich mir 10 Minuten Harry Kane im Monat leisten.
unbekannter Fan in der Ostkurve
Und die Befürchtungen schienen sich zunächst auch zu Bewahrheiten. Der FC Bayern begann druckvoll und erhöhte nach knapp einer Viertelstunde das Tempo noch einmal, so dass Jamal Musiala den Ball mit Wucht in die Maschen dreschen und der Rest der Bochumer Hintermannschaft einigermaßen unsortiert hinterhergucken musste.
Der 100-Millionen-Euro-Mann Harry Kane hatte dann noch die Chance auf das 2:0 ehe es zu einer Spielunterbrechung im Rahmen der Proteste gegen den geplanten DFL-Ivestoreneinstieg kam.
Diese knapp 14 Minuten ließ Bochums Trainer Letsch dann nicht ungenutzt verstreichen und stellte innerhalb der Mannschaft so um, dass Jamal Musiala in der Folge weniger Freiheiten und Räume hatte um Bochum gefährlich werden zu können.
Die Interviews der Bayern, sowie ihrer medialen Entourage, wie zum Beispiel Markus Babbel bei Hart aber Fair, wiesen dann zähneknirschend darauf hin, dass Bochum diese Pause wohl besser genutzt habe und das ja irgendwie auch Wettbewerbsverzerrung sei.
Mir ist auf meinem Stehplatz in der Ostkurve, bei starkem Nieselregen, wohl entgangen, dass durchaus auch der FC Bayern in den „Genuss“ dieser Zwangspause kam und etwaige Anpassungen hätte treffen können.
Davon abgesehen ist es, meiner naiven Ansicht nach, einem Kader mit dem fast 17-fach höheren Marktwerkt gegenüber dem VfL Bochum durchaus zuzutrauen dieses Spiel auch so zu gewinnen.
Gerade das Interview von Tuchel auf dem Sportsender DAZN im Anschluß an die Partie wirkte da sehr dünnhäutig. Habe er doch eine gute Partie seiner Mannschaft gesehen, aber es lief nun mal alles gegen sie. Arme Bayern.
Nach der Zwangspause wollte Bochum dann mehr. Zunächst eroberte Tim Oermann den Ball, dann ließ Toto Losilla Josua Kimmich an sich abprallen wie einen Schuljungen und legte formidabel für Takuma Asano auf. Und der versenkte die Kugel unhaltbar für Manuel Neuer im Kasten der Bayern.
Das Stadion stand Kopf.
Apropos Kopf: Keven Schlotterbeck hatte dann auch noch Bock. Nach einer Ecke vom starken Stöger, netzte Schlotterbeck recht unbedrängt ein und stellte damit auf 2:1.
„Was soll er da machen? Der Kopfball war einfach gut.“ analysierte Schlotterbeck im Interview nach dem Spiel messerscharf.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
2:1 gegen die Bayern zur Halbzeit. Aber als VfL Fan ist auch eine 4:0 Führung zur Halbzeit kein Grund zur Sorglosigkeit. Ganz im Gegenteil.
Und so rechnete man in der Ostkurve schon einmal durch, ob die verbliebenen Tennisbälle uns noch zu weiteren Toren bringen würden, sofern dies benötigt wäre.
War es aber zunächst nicht.
Anstatt sich zu verstecken, hielt der VfL mit Leidenschaft dagegen und erarbeitete sich durchaus weitere Chancen, während die Bayern seltsam bleiern weit unter ihren Möglichkeiten blieben. Es folgte eine weitere kurze Tennisunterbrechung.
Und dann Vorhang auf für Upamecano, welcher das seltsame Kunststück fertig brachte in einer Woche gleich zwei mal vom Platz zu fliegen und dabei jeweils einen Elfmeter zu verschulden.
Er erwischte nach einer Stöger-Flanke Keven Schlotterbeck mit dem Ellenbogen im Gesicht, so dass Schiri Schlager auf den Punkt zeigt und den sichtlich geknickten Upamecano des Feldes verwies.
Den anschließenden Foulelfmeter verwandelte Stöger dann gewohnt glücklich zu 3:1. Erneut wurde das Ruhrstadion zum Tollhaus. Eine Sensation bahnte sich an.
Aber Schluss ist erst wenn der Schiri pfeift. Und Schiri Schlager hatte Bock auf Nachspielzeit. Gleich satte 8 Minuten.
Harry Kane stand dann zwischenzeitlich noch mutterseelenallein im Strafraum und konnte auf 3:2 verkürzen. Jedoch scheiterten sowohl er als auch Sane noch ein paar mal an Riemann und der undurchdringlichen Bochumer Abwehr, die sich in jeden Ball schmiss.
Am Ende war es dann pure Erleichterung und Party.
Ganz kurz beschwerte sich jemand aus meinem Umfeld, dass die Spielansetzung doch unglücklich sei, da man aufgrund der morgen beginnenden Arbeitswoche keine Möglichkeit für eine riesen Party und anschließendem Leberschaden hätte.
Man muss auch mal mit den kleinen Dingen zufrieden sein.
„Es ist sicher nicht verkehrt, heute mal ein Bierchen zu trinken und anzustoßen.“
Keven Schlotterbeck
Thomas Tuchel derweil nahm nach dem Spiel nicht an der Pressekonferenz teil, da die Bayern einen Flieger in die Heimat bekommen mussten und sich das Spiel aufgrund der Proteste zu lange hinzog.
Nicht wenige vermuteten, dass er wohl entlassen werden würde. Jedoch einigte man sich erst am folgenden Mittwoch darauf, den Vertrag zum Saisonende hin zu beenden.
Das dürfte den Jungs von Thomas Letsch relativ egal sein.
Jetzt gilt es, die drei Extrapunkte gegen Gladbach zu vergolden. Verzichten muss Letsch hierbei auf den gelb gesperrten Capitano Losilla, sowie Tim Oermann und Patrick Osterhage, die beide mit muskulären Problemen ausfallen werden.