Warten auf den Fußballgott – oder: Wie Bochum sehenden Auges in die Dritte Liga taumelt

Warten auf den Fußballgott – oder: Wie Bochum sehenden Auges in die Dritte Liga taumelt
(c) Photomafia

Dass der Vfl Bochum 1848 eines Tages so trüb aus der Wäsche schauen würde, hätte selbst der pessimistischste Bierdeckel-Orakelist vor wenigen Wochen noch nicht für möglich gehalten. Doch da steht man nun, einst Bundesligaabsteiger mit leichtem Trotz in der Brust – jetzt auf Platz 17 der zweiten Liga. Sang- und klanglos. Und mit der Anmut eines Förderkorbs, der in atemberaubender Geschwindigkeit zurück in die Grube rauscht.

Ruhrpottromantik hilft da auch nicht mehr. Malocher-Metaphern? Ausgelutscht. Das ewige „Fußball muss man arbeiten“? Klingt langsam wie eine Rechtfertigung für planlose Grätschen. Die Fans – und davon hat dieser Verein viele – haben die letzten drei Jahre alles mitgetragen. Lautstark. Hoffnungsvoll. In der verzweifelten Erwartung, dass irgendwann vielleicht doch mal ein blindes Huhn den Ball ins Netz pickt. Spoiler: hat nicht geklappt.

Stattdessen bekam man die Ära Tigges: ein Experiment, das man in besseren Zeiten vielleicht als Kunstprojekt durchgehen lassen hätte. Nach der Freistellung von Marc Lettau fuhr man eine komplette Bundesliga-Rückrunde ohne sportlich Verantwortlichen – ein bisschen wie „Schiffe versenken“ ohne Koordinaten. Der Lohn dieser kreativen Selbstzerstörung: die verspätete Verpflichtung von Dirk Dufner. Eine Personalie, bei der man sich nicht nur in Berlin und Hannover die Frage stellte, ob der deutsche Profifußball keine Bewerbungsfilter mehr nutzt.

Die Hertha-Fans? Verwundert. Die Bochumer? Bald genauso. Dufner, ein Manager mit dem Charme eines kaputten Faxgeräts und dem Track Record eines rückwärtsfahrenden ICEs. Und man hätte es wissen können. Man hätte es wissen können.

Das Ergebnis dieser Ära? Vielleicht der schlechteste VfL-Kader der Nachkriegsgeschichte. Kein Witz. Alles, was man sich vor der Saison vorgenommen hatte – Torgefahr, Tempo, Verkaufspotenzial, Kreativität, Flügelspiel – fehlt. Komplett. Stattdessen: Kevin Vogt, ein fast fertiger Fußballrentner, teuer geholt in der Hoffnung, er bringe wenigstens ein bisschen Gravitas. Stattdessen bringt er: stehende Ovationen für Gegenspieler.

Aber die Causa Vogt ist nur ein Symptom von vielen. Es geht ums Ganze. Und das Ganze ist aktuell: unausgegoren, unausgewogen, unfassbar.

Die Abstiegsangst hat am Samstagabend offiziell Mitgliedschaft beim VfL beantragt.

Am vorausgegangenem Montag zunächst: das große Rauschen. Hecking und Dufner entlassen, mehr oder weniger überraschend. Am Dienstag folgte David Siebers – bislang U19-Trainer, jetzt Chef. Ein junger Coach mit guten Noten im Jugendbereich. Die Präsentation? Sprachlich fragwürdig („V wie Victory“ – Cringe-Alarm?), aber geschenkt. Hauptsache, auf dem Platz passiert was.

Tat es aber nicht.

Der „Entlassico“ in Nürnberg wurde zum lauwarmen Aufguss vergangener Fehler. Zehn Minuten halbwegs okay – dann rollte das Spiel wie eine leere Bierdose gegen den Wind. Der VfL schaffte das Kunststück, erst in der 87. Minute den ersten Schuss aufs Tor abzugeben. Und nur deshalb stand am Ende wenigstens ein Treffer auf der Anzeigetafel – Elfmeter durch Sissoko. Das war’s. Alles andere? Schatten seiner selbst. Keine Körpersprache, kein Miteinander, kein Kapitän, der vorangeht. Am Ende verdient 2:1 verloren.

Siebers bekam offiziell erstmal drei Spiele. Noch zwei Chancen, sich zu beweisen. Klappt’s nicht, kommt der nächste. Wer das sein soll? Gute Frage. Denn mit diesem Kader wird selbst Pep Guardiola eher zum Balljungen.

Der Haken: Der Kader bleibt. Keine Schnelligkeit, keine Ideen, dafür zig Innenverteidiger und ein Zettel mit Notfallnummern aus Leverkusen.

Und damit stellt sich die Frage aller Fragen, die in Bochum mittlerweile auch der Bierverkäufer in der Halbzeit flüstert:
Wie zum Teufel kann ein Verein nach vier Jahren Bundesliga so blank dastehen?
Keine Kohle für neue Spieler – aber ein ganzes Bataillon an Direktoren, Planern, Management-Strukturen, die alle offenbar vergessen haben, was ihr Job ist?

Was bleibt, ist eine brutale Wahrheit: Der VfL spielt gegen den Abstieg. Nicht nur gegen Lautern oder Düsseldorf. Gegen den Abstieg. Punkt.
Und wenn die Führungsebene jetzt nicht alles, wirklich alles diesem Ziel unterordnet, ist der Super-GAU keine Theorie mehr, sondern Realität. Denn die 3. Liga ist kein Übergangswohnheim – sie ist eine wirtschaftliche Abrissbirne für Vereine wie den VfL.

Ob sich der Klub davon je erholen würde? Fraglich.

Möge der Fußballgott uns gnädig sein. Und uns in Zukunft bitte verschonen – vor Management-Fehlgriffen wie Dirk Dufner, die mehr mit Blindgängern als mit Blindenhühnern gemein haben.

Glück auf.