Fehlstart mit Anlauf – wie der VfL Bochum auf dem Weg nach unten Gas gibt

Fehlstart mit Anlauf – wie der VfL Bochum auf dem Weg nach unten Gas gibt
Dufner und Neuzugang Alfa-Ruprecht Quelle: VfL Bochum 1848

Wer im Lexikon unter „klassischer Fehlstart in Liga zwei“ nachschlägt, wird derzeit freundlich von drei Vereinswappen angelächelt: Hertha BSC, der Glubb – und natürlich: der VfL Bochum. Drei Traditionsvereine, drei Baustellen, ein Gefühl: leichte Panik.

Beim VfL wirkt die Lage derzeit wie ein verpatzter Elfmeter ins Obergeschoss der Ostkurve.

Mittendrin: Dieter Hecking. Mal wieder. Denn was Nürnberg und Bochum eint, ist nicht nur ein Faible für graue Winterjacken, sondern auch der Mann auf dem Chefsessel. Die Diskussion um seine Personalie tobt in den Foren, Kommentarspalten und WhatsApp-Gruppen – und sie wird mit der Wucht eines Innenverteidiger-Kopfballs geführt.

Denn die Antwort auf das 1:4 in Darmstadt war kein Aufbruch. Es war eine gelbe Wolke. Das 2:0 gegen Elversberg – auf dem Papier souverän – entpuppte sich als schwer zu ertragende Alibiveranstaltung mit Überzahl. Denn: ab Minute 5 spielte der VfL mit einem Mann mehr – 85 Minuten in Überzahl, aber fußballerisch maximal Gleichstand. Es war ein Arbeitssieg mit Betonmischung statt Spielwitz.

Dann Pokal. BFC Dynamo. Verlängerung. Zwei Platzverweise gegen den Regionalligisten nötig, um den Stolperstein zu vermeiden. Und selbst dann wurde nicht gewonnen, sondern durchgewürgt. Die Schiedsrichterleistung? Geschenkt. Aber gegen den BFC müsste auch eine B-Elf in 90 Minuten durchkommen, wenn man Ambitionen hat, außer beim Frustgrillen im Vorgarten.

Vor dem Derby auf Schalke schwante der gebeutelten Fanszene Böses – was soll man sagen? Anfangs war es besser. Also: ein kleines bisschen. Der Gegner war limitiert, aber effektiv. Und dann kam Kevin Vogt. Ein Mann, der aussieht wie Bundesliga – aber aktuell spielt wie Bezirksliga nach drei Pils. Sein Elfmeter? Ein Fall für die Videokunst. Eiskalt versenkt – ins Niemandsland. Erinnerungen an Daschner in Hoffenheim wurden wach. Bittere Flashbacks mit Schalldämpfer.

Am Ende stand ein 1:2 – und danach: Münster.

Ein Heimspiel, das niemand so nennen will. Ideenlos, willensschwach, verloren – 1:2. Gegen eine hungrige Mannschaft, die mehr Plan hatte als die Bochumer Kaderplanung der letzten zwei Jahre zusammen. Chancenlos, chancenarm, charakterlos.

Man kann es nicht schönreden. Auch wenn die Verletztenliste mittlerweile länger ist als die Vereinssatzung.

Fair muss man sein: Die besten Akteure in diesen Wochen tragen keinen Bart, sondern Geburtsjahrgänge ab 2004. Cajetan Lenz? Überragend. Wätjen, Onyeka, Morgalla? Hoffnungsträger mit Lunge und Leidenschaft. Aber: Wenn die Youngster das Ruder übernehmen müssen, weil die Alten ihre Schwimmflügel suchen, ist Alarmstufe Rot.

Matus Bero, Kapitän? Eher überfordert als überragend. Nach dem Münster-Spiel gabs Zoff mit den Fans – kein gutes Zeichen. Kevin Vogt, eigentlich geholt für Stabilität, strahlt vor allem eins aus: Desinteresse mit Seitenscheitel. Und das wird auf dem Platz mittlerweile regelmäßig bestraft.

Stürmer Hofmann? Zuletzt öfter im Mittelkreis als im Strafraum gesichtet. Beim Ausgleich gegen Münster musste man zweimal hinsehen, ob das wirklich der Mittelstürmer war – oder einfach ein verlorener Fan mit Trikot.

Und damit wären wir beim Elefanten in der Umkleide: der Kader.

Schon vor der Saison war klar: vorne fehlt’s an Tempo, Torgefahr, Torgefahr mit Tempo, Tempo mit Torgefahr. Gekommen sind: Innenverteidiger. Gleich mehrere. Das ist ungefähr so, als würde man sich über einen leeren Kühlschrank beschweren und dann zwölf Brotschneidemaschinen bestellen.

Das Tafelsilber wurde verscherbelt oder musste gehen, weil’s hinten und vorne nicht reicht. Sissoko? Schwer verletzt. Und damit nicht nur sportlich ein Verlust, sondern auch finanziell ein Problemkind. Die erhoffte Ablöse? Ausgeknockt in Runde eins.

Dufner zog daraufhin die Reißleine – oder eher: den Leihvertrag. Zwei neue Hoffnungsträger kamen kurz vor Transferschluss. Farid Alfa-Ruprecht, 19 Jahre, noch nie höherklassigen Herrenfußball gespielt, aber mit Vorschusslorbeeren aus Leverkusen. Und Michael Obafemi, ein Ire mit mysteriösem Leistungsprofil, der bisher mehr Fragezeichen als Spielminuten produziert hat.

Ironiefrei: Viel Erfolg, Jungs. Ihr könnt nichts für das Drumherum.

Aber nach nachhaltiger Planung sieht das alles nicht aus. Im Gegenteil: Manchmal wirkt es, als wäre die Kaderplanung eine Mischung aus Excel-Tabelle, Würfeln und Hoffnung. Mousset, de Wit, Kwarteng – allesamt Namen, die in Bochum mehr Sorgenfalten bei den Schatzmeistern als Freude verursacht haben dürften.
Teure Fehlschläge, die ein VfL Bochum sich nicht zu oft leisten kann.

Fakt ist: Der VfL wird in dieser Saison mit dem Aufstieg nichts zu tun haben. Der Klassenerhalt ist die neue Champions League. Und wer denkt, das „wird schon irgendwie“, darf sich gerne in Bielefeld melden. Dort hat man damals auch lange geglaubt, dass es nicht schlimmer kommen kann.

Was bleibt? Die Hoffnung. Auf bessere Tage. Auf ehrliche Arbeit. Auf einen Plan.

Und vielleicht auch auf die Erkenntnis, dass ein Sportgeschäftsführer in erster Linie für Kaderplanung da ist – und nicht als Arbeitsvermittler für alte Weggefährten oder als Frontmann für spontane Aktionismus-Leihen kurz vor Toreschluss.

Die Frage nach dem Arbeitsnachweis von Dufner und Co. – nicht im Sinne von netzwerktauglicher Rhetorik, sondern knallhart am sportlichen Kern gemessen – wird kommen. Muss kommen.

Und wozu, zur Hölle, beschäftigt man dann eigentlich ein ganzes Heer an Direktoren, Kaderplanern, Kadermanagementstrategen, Bereichsleitern für sportliche Großwetterlage – wenn am Ende kein Geld da ist und trotzdem keiner weiß, wie man einen Kader zusammenstellt, der in der 2. Liga nicht sofort in den Rückwärtsgang schaltet?

Die Antwort wird man wohl nicht auf Instagram finden. Aber vielleicht – und hoffentlich – auf der nächsten Hauptversammlung.

Denn irgendwann reicht es nicht mehr, auf Verletzungspech oder enge Märkte zu verweisen. Dann zählt nur noch das Kerngeschäft: sportlicher Erfolg. Und der ist – Stand heute – weiter weg als der letzte Sprint von Hofmann ins Angriffsdrittel.