20 Jahre »Januartour«: Feliz año nuevo von der Costa del Sol

Die VfL-freie Zeit in den ersten Tagen des neuen Jahres, während die deutschen Ligen noch
im Winterschlaf liegen, nutze ich seit nunmehr 20 Jahren, um ein bisschen Fußballkultur
im Rest Europas zu schnuppern, wo der Ball oftmals ins neue Jahr durchrollt oder aber bereits
nach dem Jahreswechsel wieder.
In den vorangegangenen Jahren gab es mal mehr und mal weniger interessante Stadien
und Städte zu bestaunen.
Quer durch vorwiegend Südwesteuropa war so ziemlich alles schon mal dran.
Dazu gehören immer auch Sightseeing sowie gutes Essen und Trinken.
Also kein stumpfes Grounds abklappern.
In diesem Januar 2024 stand die Jubiläums-»Januartour« an. Es sollte etwas Besonderes
werden, doch die Unzuverlässigkeit der griechischen oder zypriotischen Spielansetzungen,
gepaart mit spontan eingestreuten Zuschauerausschlüssen »because there was a fight with
the Police«, wie bereits einmal in Zypern erlebt, ließen uns zu Altbewährtem greifen:
An der spanischen Südküste ist es um diese Jahreszeit angenehm mild, es gab fußballtechnisch
auch noch so einiges zu entdecken.
Beim Länderpunkt Gibraltar mit einem Ligaspiel zwischen den Lions Gibraltar und dem
College 1975 stellte sich heraus, dass das Niveau insgesamt dürftig war.
Damit war nicht unbedingt die sportliche Vorstellung an jenem
Montagabend im Victoria Stadium gemeint, welches seine besten Tage deutlich hinter sich
hat und in Zukunft durch einen Neubau ersetzt werden soll.
Auch das deutsche Hopper-Aufgebot, zusammengesetzt aus Trainingslager-Mitreisenden,
machte einem mit seinem typisch deutschen »Schlachtenbummler«-Habitus bewußt,
dass Gibralter mittlerweile ein ziemlicher Länderpunkt-Discounter geworden ist.
Nach einem sonnigen Tag in Gibraltar mit Bierchen im Trafalgar Pub, wo die lokalen Anhänger
von Leeds United ihren Schrein aus Fahnen und Schals verehren, und delikatem indischem Abendessen
bei milden Abendtemperaturen im Anschluss, war das Einheimsen des Länderpunktes tatsächlich der
schwächste Part der Fahrt zum Affenfelsen.

In Málaga gab es tags zuvor ein 0:1 der Lokalmatadore in der Copa del Rey gegen Real
Sociedad zu bestaunen. Das Estadio La Rosaleda ist eine der altehrwürdigen
Betonschüsseln, in denen anläßlich der Fußball-WM 1982 gespielt wurde. Im Stadion von
Málaga, welches 1941 eröffnet und 1982 sowie 2006 renoviert wurde, finden aktuell etwas
mehr als 30.000 Zuschauer Platz. Hier kickten während der WM die Teams aus der UdSSR,
Schottland und Neuseeland.
Seit 2023 spielt der heimische Klub Málaga CF in der dritthöchsten Spielklasse.
Beim besuchten Spiel der Runde der letzten 32 waren 22.111 Zuschauer im weiten Rund.
Gästefans waren keine vorhanden und bis auf ein Grüppchen Unentwegter hinter dem Tor
war auch bis auf kurze Ausnahmen keine nennenswerte Stimmung.
Das einzige Tor des Abends war ein Eigentor in der 49. Minute.
Trostlosigkeit, wie man sie abseits des Spielgeschehens auch hinter dem Stadion beobachten kann, wo
Menschen in abgewrackten Autos leben. Eine Erinnerung daran, wie privilegiert unsereins
ist, nicht nur regelmäßig ins Stadion gehen zu können, sondern auch solche Reisen zu
unternehmen.

Ein weiteres Ziel war gleichzeitig auch eine weitere Arena der WM 1982: Das Estadio
Manuel Martinez Valero ist eine ebenfalls in die Jahre gekommene Betonschüssel. Diese ist
mit Errichtung im Jahre 1976 deutlich „jünger“ als ihr Pendant in Málaga, hat aber schon fast
südamerikanisches Flair mit seiner durchgehenden Flutlichtanlage und den riesigen Anzeigetafeln.
Während sich die Kicker des lokalen Zweitligisten FC Elche auf dem Rasen in
der Copa del Rey vergeblich mühten und am Ende 0:2 vor 15.518 Zuschauern in der nicht
mal zur Hälfte gefüllten Arena gegen Girona den Kürzeren zogen, bot sich dem neutralen
Zuschauer vom Oberrang ein bombastischer Sonnenuntergang.
Doch auch wenn es weder ein Bier gibt noch ein sportlich filigranes Spiel: Wer alte Stadien liebt, wird auch diese
Schüssel mögen. Es soll ja schließlich Groundhopping und nicht Matchhopping sein.
Der Gast an diesem Tag war übrigens ein Klub, der seit einiger Zeit als »Wunder« durch die
Medien geistert. Der 1930 gegründete FC Girona geisterte in den vergangenen 20 Jahren
vorwiegend in der Zweitklassigkeit herum, bis am Ende der Saison 2016/17 der erstmalige
Aufstieg in die Primera Division gelang. Seither wird der erfrischende Fußball und gelobt und
die Tatsache, daß Girona an der Spitze der ansonsten eher mäßig spannenden Liga, die
finanziell ohnehin größtenteils komplett am Boden liegt, die Großen aus Madrid und
Barcelona ärgert.
So schrieb das Magazin Kicker vor einiger Zeit über die »sensationelle Saison« des
spanischen Klubs.
Vom Fußballwunder bleibt bei näherer Betrachtung allerdings eher wenig
übrig: Nach seinem Aufstieg wurde der Klub 2017 von der City Football Group übernommen.
eine Holding-Gesellschaft, die mehrere Fußballklubs unter sich vereint, wie Manchester City,
New York City FC, Lommel SK in Belgien oder weiteren Klubs in Japan, China, Uruguay, Indien oder Italien.
Ganze 86 Prozent der City Football Group werden von der Abu Dhabi
United Group gehalten. Die restlichen rund 14 Prozent hält eine chinesische Holding.
Spieler werden hin und her transferiert, wie etwa im Red-Bull-Imperium zwischen Leipzig und Salzburg.
Angesichts solcher Entwicklungen stellt sich die Frage, wie dick die Tünche sein
muß, um dem Fußballfan so etwas noch als Sport zu verkaufen. Ganz besonders
befremdlich ist, daß Magazine, wie der ja doch ziemlich renommierte Kicker, immer wieder
solchen Konstrukten das Wort redet, anstatt sich kritisch im Sinne des Journalismus mit
Phänomenen wie RBL oder eben Girona auseinanderzusetzen. Wenn man solche
Verhältnisse sieht, bekommt man nur die Gewissheit, dass jeder Tennisball seinen Wurf wert
war in der Bundesliga in den vergangenen Wochen, auch wenn es genervt hat.
Ein größtenteils mündiges Publikum in einer wertstabilen und attraktiven Bundesliga.






